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Die Gruppe Birth, seinerzeit hervorgegangen aus der Canditter Gruppe, Kreis Pr. Eylau, hatte in der Zeit
vom 16.06. bis 25.06.2022 eine äußerst interessante, aber auch mit einigen Hindernissen gespickte
Busreise nach Warschau, Ostpreussen und Litauen unternommen.
Geplant war die Reise bereits für das Jahr 2020. Diese musste aber wegen Corona auf 2021 und dann noch
einmal auf 2022 verschoben werden. Der Bus war bei allen drei Fahrten jeweils mit 52 Personen voll
belegt. Die Reiseroute sollte uns zunächst nach Warschau, dann in unseren heimatlichen Bereich um
Landsberg und Canditten und anschließend in den russischen Teil über Pr. Eylau (Bagrationowsk) nach
Königsberg (Kaliningrad) und schließlich nach Memel (Klaipeda) und von dort mit der Fähre über die
Ostsee nach Kiel führen.

Warschau, der Sächsische Garten mit dem Grabmal des unbekannten polnischen Soldaten (Foto U. Birth)


Anfang 2022 wurde bekannt, dass wir in den russischen Teil Ostpreussens, also in das Königsberger
Gebiet, nicht einreisen durften. Also Routenänderung. Anstelle des Königsberger Gebietes nunmehr über
Masuren in die litauische Hauptstadt Vilnius und dann nach Memel und mit der Fähre nach Kiel. Aufgrund
dieser Änderung sprangen einige Teilnehmer ab.

Dann kam der 24. Februar 2022 mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Weitere angemeldete
Teilnehmer stornierten die Reise aus Sorge um die Sicherheit während unserer Fahrt durch Polen und
Litauen. So blieben lediglich noch 30 Personen übrig. In Abstimmung mit der Reisefirma wagten wir die
Reise trotzdem.

Die Fahrt begann am 16. Juni 2022 in Bielefeld und führte uns über den Berliner Ring weiter über die
Grenze bei Frankfurt/Oder bis in die Nähe von Posen (Poznań) zur Zwischenübernachtung. Am nächsten
Tag ging die Fahrt weiter bis Warschau. Die im II. Weltkrieg hauptsächlich von der deutschen Wehrmacht
fast völlig zerstörte Stadt ist im Laufe der Jahrzehnte wieder aufgebaut worden, zum Teil mit einer neuen
Straßen-Architektur und einer völlig neuen Innenstadt mit zahlreichen Wolkenkratzern. So konnten wir
bereits bei der Durchfahrt durch die Vororte Warschaus die Stadtmitte ausmachen und waren beeindruckt
von der neuen Skyline dieser Stadt.

Unser Hotel befand sich in der Innenstadt. Hier blieben wir zwei Tage. Und von hier aus unternahmen wir
mit der polnischen Reiseleiterin die Besichtigungstour durch Warschau. Zunächst besuchten wir den
Sächsischen Garten, eine wunderschöne Parkanlage, an die sich das Grabmal des unbekannten polnischen
Soldaten anschloss. Es ist eine Gedenkstätte für die im I. Weltkrieg gefallenen polnischen Soldaten,
erweitert mit einem ewigen Licht für die auf den anderen Schlachtfeldern gefallenen polnischen Soldaten.
Zur vollen Stunde erlebten wir hier die Wachablösung der dort als Ehrenwache stehenden Soldaten – ein
besonderes Zeremoniell. Gleich hinter der Gedenkstätte schließt sich der Piłsudski-Platz mit dem
übergroßen Piłsudski-Denkmal an.

Auf unserer weiteren Besichtigungstour gelangten wir zur Chopin-Bank und zur berühmten
Johanneskirche, der Krönungskirche der polnischen Könige. Hier beginnt die Altstadt Warschaus und hier
schlägt der Puls der Stadt. Ein reges Treiben konnten wir beobachten, denn viele Menschen waren in
diesem Stadtteil unterwegs, Touristen, Lehrer mit Schulklassen, Musiker an den Straßen und offensichtlich
auch viele Einheimische. Auch die Außen-Gastronomie war hier stark vertreten.
Einige Schritte weiter befanden wir uns bereits auf dem Schlossplatz mit dem angrenzenden
wiederaufgebauten königlichen Schloss. Vom Schlossplatz aus hatten wir einen guten Blick über die
Weichsel und den Ostteil der Stadt mit der herrlichen St. Michaeliskathedrale und dem neuen Stadion.
Am nächsten Tag besichtigten wir das Königliche Schloss in der Altstadt Warschaus. Es ist nach dem
Krieg nach den alten Vorbildern wiederaufgebaut worden. Mit Hilfe des elektronischen Museumsführers
(Audioguide) konnten wir uns selbständig durch alle Räume bewegen. Das Schloss enthält zahlreiche und
wunderschöne Säle im wiederhergestellten Barockstil und eine Vielzahl von großartigen Gemälden. Alles
in allem ein faszinierendes Erlebnis.


Ein unbedingtes Muss für uns war der Besuch des ehemaligen jüdischen Wohnbezirks in Warschau, wo
1943 der Ghetto-Aufstand der polnischen Juden stattfand und dieser von der deutschen SS brutal
niedergeschlagen wurde. Ein 11 m hohes Mahnmal erinnert an das entsetzliche Ereignis von damals. Hier
vor dem Ehrenmal ereignete sich 1970 der Kniefall des Bundeskanzlers Willy Brand. Es war eine große
Geste, mit der Willy Brandt stellvertretend für sein Volk um Vergebung für die damaligen Verbrechen bat.
Unweit von dieser Stelle wird mit einer Bronzetafel an einer steinernen Wand dieser Kniefall als Relief
dargestellt.

Anschließend unternahmen wir noch einen Ausflug in den berühmten Łazienki-Park im Süden Warschaus,
der wirklich sehenswert ist. Hier befinden sich auf 80 ha Fläche u.a. der königliche Łazienki-Palast und
das Schloss Belvedere sowie ein Amphitheater, ein wunderschöner Rosengarten und zahlreiche Denkmäler und alles umrahmt von großzügigen Parkanlagen. Wir waren angenehm überrascht über diese
wunderschöne Anlage.

Danach ging es wieder in die Innenstadt. Dort steht in unmittelbarer Nähe der neuen Wolkenkratzer der
237 m hohe Kulturpalast, ein Geschenk Stalins aus dem Jahre 1955 an das polnische Volk, aber für das
polnische Volk ist es ein Machtsymbol der Russen. Jedoch interessierte uns dies nur beiläufig, denn wir
wollten lediglich auf die im 30. Stockwerk befindliche Plattform, um die Stadt aus der Höhe zu erleben.
Oben angekommen, bot sich uns ein phantastischer Blick über Warschau bis in die Außenbezirke.

Nach zwei Tagen Aufenthalt verließen wir Warschau und fuhren durch das flachlandige Masowien in
Richtung Ostpreussen. Kurz vor der masurischen Kreisstadt Neidenburg (Nidzica) passierten wir die
Grenze zu Ostpreussen. Man merkte es bereits an der lieblichen Landschaft mit den typischen Hügeln,
Tälern und Wäldern. Nach einer weiteren Stunde Fahrzeit erreichten wir Allenstein (Olsztyn), wo wir eine
dreistündige Pause einlegten, um einen Rundgang durch die Innenstadt zu unternehmen. Unsere polnische Reiseleiterin führte uns durch die Altstadt Allensteins zu dem großen Stadttor, dann vorbei am ehemaligen Fischmarkt bis zur Bronzestatue von Nikolaus Kopernikus und einige Meter weiter über die Alle-Brücke bis zur großen Burg der Stadt, auch Schloss genannt. Die Wojewodschaft-Hauptstadt von Ermland Masuren hat sich in den letzten Jahren sehr gut herausgemacht. Gelungene Altstadtsanierung, viele Neubauten und relativ gute Verkehrsanbindungen sind einige der positiven Eindrücke. Nach diesem
Kurzbesuch machten wir uns auf den Weg nach Heilsberg (Lidzbark Warminski), wo wir für 3 Nächte
bleiben wollten.

Gleich am nächsten Vormittag besuchten wir mit der Reiseleiterin das Schloss und die Burganlage der
700-jährigen Stadt Heilsberg, dem ehemaligen Sitz der ermländischen Bischöfe. Einige Schritte weiter
befindet sich die im gotischen Stil erbaute Peter- und Paulkirche, die wir kurz besichtigten. Und wieder
einige hundert Meter weiter erreichten wir das restaurierte Hohe Tor, das zur ehemaligen Stadtmauer
gehörte. Dann war der Vormittag bereits vorbei und wir mussten uns auf den Weg nach Canditten
(Kandyty) machen, einem größeren Bauerndorf in der Nähe von Landsberg (Górowo Iławeckie), ehemals
Kreis Pr. Eylau.

Auf dem Ehrenfriedhof von Canditten war eine kleine Feierstunde zum Gedenken an unsere verstorbenen
Landsleute geplant, einen Modus, den wir bei allen unseren Fahrten durchgeführt hatten. Aber wegen des
ziemlich heftigen Regens mussten wir diese Veranstaltung kurzfristig in die Räume der Deutschen
Gesellschaft Natangen in Landsberg verlegen. Und es klappte tatsächlich. Alle versammelten sich dort.
Pfarrer Jan Neumann aus Rhein (Ryn) hielt die Andacht und der stellvertretende Bürgermeister, Herr
Krzystof, aus Landsberg-Land brachte die Grüße der Gemeinde. Die Feierstunde wurde mit dem
Totengedenken beendet.

Es folgte ein gemeinsames Beisammensein bei der Deutschen Gesellschaft Natangen bei Kaffee und
Kuchen. Die Damen der deutschen Minderheit hatten sich sehr große Mühe gegeben und alle waren voll
des Lobes über diese herzliche Gastfreundschaft.

Danach wurde es Zeit aufzubrechen, um nach Schewecken (Żywkowo) zu fahren. Dort hatte uns das
französisch-polnische Ehepaar Fevrier zu einem zünftigen Grillabend eingeladen. Schewecken liegt hart an
der polnisch-russischen Grenze und mitten im ehemaligen Ostpreussen. Das kleine Dorf ist wegen der
zahlreichen Störche bekannt, die dort brüten. So sind in diesem Ort jedes Jahr etwa 45 bis 50
Storchennester belegt.

In Schewecken wurden wir vom Gast-Ehepaar und einem Akkordeonspieler herzlich begrüßt. Der geplante Grillabend fand wegen des Regens nicht auf dem großflächigen Gelände der Liegenschaft statt, sondern ebenfalls im Hause. Aber das war kein Beinbruch. Wir fühlten uns hier bei Grillwürstchen, diversen Getränken und einer tollen Atmosphäre sehr wohl. Nebenbei hatten wir noch Gelegenheit, einen
Aussichtsturm zu besteigen und in die Storchennester zu schauen, wo die Jungstörche bereits flügge waren.

Der nächste Tag war zur freien Verfügung eingeplant. Aber auf allgemeinen Wunsch hin fuhren wir am
Vormittag nach Heiligelinde (Święta Lipka), um dort die herrliche Barockkirche zu besichtigen. Es ist die
schönste Kirche Ostpreussens und ein Anziehungspunkt der besonderen Art für Touristen. Im Hauptschiff
der Kirche konnten wir die 9 Altäre und die zahlreichen Bilder bewundern. Eine Besonderheit bildet das
Orgelwerk mit den beweglichen Figuren. Und nach wenigen Minuten konnten wir das 15-minütige
Orgelspiel live erleben. Der Nachmittag war für einen Großteil unserer Teilnehmer für private Besuche
vorgesehen.
Am Folgetag verließen wir das Hotel in Heilsberg und fuhren die etwa 450 km lange Strecke durch
Masuren nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir hinter der
polnischen Stadt Suwałki die polnische-litauische Grenze. Bei diesem Grenzabschnitt handelt es sich um
die weltbekannte „Suwałki-Lücke“. Es ist eine nur 65 km schmale Landbrücke zwischen den EU- und
NATO-Ländern Polen und Litauen. In den Medien und in der Politik wird dieser Engpass als
„gefährlichster Ort der Welt“ bezeichnet. Man vermutet, dass bei einer russischen Aggression dies die erste Stelle sein wird, die der Russe einnehmen wird, um das polnische vom litauischen Gebiet zu trennen. Aber an der kleinen Raststätte bereits auf litauischem Gebiet war alles friedlich und ruhig und niemand von uns dachte in diesem Moment an irgendeinen Angriff.

In Vilnius bezogen wir für zwei Tage Quartier in einem vorzüglichen Hotel. Von hier aus unternahmen wir
am Folgetag eine äußerst informative Besichtigungstour durch die Innenstadt. Besondere
Anziehungspunkte waren die Kirche Peter und Paul mit den zahlreichen Stuckfiguren im Innenraum, die
Backstein-Kirche St. Anna, die mit 33 verschiedenen Backsteinarten erbaut wurde, und die
bemerkenswerte Literatengasse in der Altstadt. Am Nachmittag unternahmen wir noch einen Ausflug zur
25 km von Vilnius entfernten Wasserburg Trakai. Die riesigen Burgmauern an der Wasserseite, ferner die
zwei mächtigen Ecktürme sowie die langen Wehrgänge und die sehr gut erhaltenen Wohnräume aus der
damaligen Zeit beeindruckten jeden Besucher.

Tags darauf ging es weiter in Richtung der Stadt Memel (Klaipeda), Dort angekommen, ließen wir uns mit
der kleinen Fähre auf die Kurische Nehrung übersetzen und fuhren auf der einzigen Nehrungsstraße nach
Schwarzort (Juodkrante) weiter. Hier angekommen, führte uns die Reiseleiterin durch den „Märchenwald“
mit den zahlreichen aus Holz geschnitzten Märchenfiguren. Es folgten ein kurzer Spaziergang an der
Uferpromenade des Kurischen Haffes und ein etwas ausgedehnter Marsch zur „Toten Düne“, einer 55 m
hohen Sanddüne am Ufer des Kurischen Haffes. Hier erschloss sich uns ein phantastischer Blick über
verschiedene Landschaftsformen: hier der hohe Dünensand, gleich daneben das riesige Haff, dann der
Nehrungswald und etwas entfernt das Wasser der Ostsee.


Wir kehrten von der Kurischen Nehrung zurück und setzen mit der kleinen Fähre wieder über nach Memel. Dort schloss sich ein kleiner Rundgang durch die Altstadt von Memel an. Am Nationaltheater hielten wir inne. Genau vor dem Theatergebäude steht die Bronzefigur des Ännchen von Tharau auf einem hohen Sockel und schaut auf den Theaterplatz. Hier sangen wir zusammen mit der Reiseführerin das weltbekannte Lied „Ännchen von Tharau“ – ein sehr nostalgischer, aber auch schöner Augenblick für uns alle. Der weitere Stadtrundgang durch Memel führte uns an zahlreichen Häusern aus deutscher Zeit vorbei, auch an der alten Post, sowie an der Jubiläums-Säule und der beachtenswerten Brücke über den Fluss Dange.

Gegen Abend war „Boarding“ auf der großen Fähre nach Kiel. Punkt 21.00 Uhr Ortszeit legte die Fähre ab
und verließ den Hafen in Richtung Ostsee. Am Nachmittag des Folgetages erreichten wir den Hafen von
Kiel. Von dort ging es mit dem Bus zu den Ausstiegsorten. Eine äußerst interessante Reise mit vielen
Eindrücken ging nun zu Ende.

Gerd Birth