Die heutige Grenze zwischen der Republik Polen und dem zur russligländischen Föderation gehörenden Königsberger Gebiet trennt den früher einheitlichen Wirtschafts- und Kulturraum in zwei völlig verschiedene, voneinander isolierte Teile, die nun beide zu wirtschaftsarmen Zonen, jeweils zu einem „Ende der Welt“ geworden sind. Der einzige Grenzübergang liegt am südöstlichen Stadtrand von Pr. Eylau. Auf polnischer Seite ist Beisleiden Grenzort. An dieser Grenze herrscht seit den 90er Jahren ein reger Verkehr, insbesondere von polnischen Kleinhändlern, die Waren aller Art von Nord nach Süd bringen, vor allem Zigaretten und Alkohol. Dieser sogenannte „Ameisenhandel“ ist für sehr viele Menschen auf beiden Seiten die einzige Einkommensquelle.
Die nördliche Kreishälfte
Der nördliche Kreisteil bildet zusammen mit dem nördlichen Teil des alten Kreises Heiligenbeil einen „Rayon“. Hauptstadt ist Pr. Eylau (von der Sowjetunion 1946 in „Bagrationowsk“ umbenannt, nach dem georgischen Fürsten Bagration, der als Feldherr 1807 auf russischer Seite an der Schlacht bei Pr. Eylau teilnahm). Das Gebiet war bis zur Auflösung der Sowjetunion als Teil der „Kaliningradskaja Oblast“ (des Königsberger Gebiets) militärisches Sperrgebiet und damit für Ausländer unzugänglich.
Zahlreiche Dörfer sind verschwunden. Zur Schaffung der Kolchosen/Sowchosen wurden jeweils etwa drei Dörfer zusammengefaßt, von denen eines als Zentrum erhalten blieb. Auch in diesen Orten schreitet nach Auflösung der Großbetriebe vom Beginn der 90er Jahre an der Verfall der Bausubstanz fort. Das Land liegt weitgehend brach; die Drainagen aus deutscher Zeit wurden nicht weitergepflegt; die Staunässe ergreift wieder die ehemaligen Acker- und Weideflächen. Lebensgrundlage für die meisten Menschen sind die privaten Gärten („Datschen“). Die Bevölkerung besteht vorwiegend aus Russen, daneben aus Ukrainern, Weißrussen, Armeniern, Litauern, Kasachen usw. sowie einigen Rußlanddeutschen – ein kleines Abbild der Sowjetunion.
Weitere Ortsnamen (deutsch/russisch)
deutsch | russisch |
Abschwangen | Tischino |
Almenhausen mit Neu Waldeck | Kaschtanowo |
Domtau mit Gartenstadt Stablack, Pompicken und Waldkeim |
Dolgorukowo |
Groß Lauth | Newskoje |
Groß Sausgarten mit Naunienen |
Beresowka |
Hussehnen | Pogranitschnoje |
Klein Dexen mit Schlawitten, Wonditten |
Furmanowo |
Kreuzburg | Slawskoje |
Melonkeim mit Bekarten |
Borowoje |
Mühlhausen | Gwardejskoje |
Posmahlen | Puschkino |
Roditten mit Groß Dexen |
Nagornoje |
Romitten | Slavjanowka |
Rositten | Bogatowo |
Schmoditten | Rjabinowka |
Schrombehnen | Moskowskoje |
Sollau mit Dollstädt | Krasnosnamenskoje |
Tharau | Wladimirowo |
Uderwangen | Tschechowo |
Wittenberg | Niwenskoje |
Die südliche Kreishälfte
Da die Volksrepublik Polen im Ostblock der einzige Staat war, der die Landwirtschaft nicht durchgehend kollektivierte, sind die Klein- und Mittelbetriebe bestehen geblieben. Großbetriebe und Güter wurden zu Staatsgütern. Diesen entzog man zu Beginn der 90er Jahre die Subventionen, so daß ihre Flächen seither brach liegen, soweit sich noch keine Käufer gefunden haben. Die Landarbeiter sind arbeitslos, andere Arbeitsangebote gibt es nicht, immer mehr junge Menschen wandern ab.
Die Bevölkerung besteht zu gut 50 % aus Ukrainern, im übrigen aus Wilna-Polen sowie aus Zentralpolen. Im Gegensatz zum nördlichen Kreisteil sind hier auch einige Deutsche geblieben, zum Teil auf dem eigenen Hof; ferner sind Ostpreußen aus anderen Teilen der Provinz zugezogen. Die Deutschen sind in dem Verein „Deutsche Gesellschaft Natangen“ zusammengeschlossen.
Eine notwendige Erläuterung zur Herkunft des ukrainischen Anteils: Sein angestammtes Siedlungsgebiet war der äußerste Südosten des heutigen polnischen Staatsgebiets. Da von hier noch zwei Jahre nach dem II. Weltkrieg antikommunistischer Widerstand ausging, wurden die Ortschaften umstellt und sämtliche Einwohner der Region, 140.000 an der Zahl, in die entferntesten und durch die Vertreibung entleerten Teile des neuen Staatsgebiets, nach Ost- und Westpreußen, Danzig und Hinterpommern deportiert. Die Operation hatte den Namen „Akcja Wisla“ (Aktion Weichsel). In Landsberg befindet sich ein ukrainisches Bildungszentrum mit Internat und Ukrainisch als Unterrichtssprache. Die Ukrainer sind griechisch-katholisch.
Der südliche Teil des Kreises Pr. Eylau gehört heute zum Kreis Bartenstein (Bartoszyce) in der Wojewodschaft Ermland/Masuren. Die Stadt Landsberg (Górowo Iławeckie) bildet eine Kommune, desgleichen das umliegende Land, die „Gmina Gorowo Iławeckie“.
Weitere Ortsnamen (deutsch/polisch)
deutsch | polnisch |
Albrechtsdorf | Wojciechy |
Beisleiden | Bezledy |
Borken | Borki |
Buchholz | Bukowiec |
Canditten | Kandyty |
Eichen | Deby |
Eichhorn | Wewiorki |
Glandau | Glady |
Groß Peisten | Piasty Wielkie |
Hanshagen | Janikowo |
Hoofe | Dworzno |
Nerfken | Nerwiki |
Neuendorf | Nowa Wies Ilawecka |
Perscheln | Piersele |
Petershagen | Pieszkowo |
Reddenau | Rodnowo |
Schewecken | Zywkowo |
Stablack-Süd | Kaminsk |
Tolks | Tolko |
Topprienen | Toprzyny |
Wildenhoff | Dzikowo Iławeckie |
Worienen | Woryny |
Der Zustand der Baudenkmäler
Kirchen:
Im nördlichen Kreisteil wurden sämtliche zunächst erhalten gebliebenen Kirchen zweckentfremdet bzw. verfielen durch Vernachlässigung und die Entnahme von Baumaterial. Im südlichen Teil sind die meisten erhalten geblieben und werden als Kirchen genutzt. Im einzelnen (Ort, Jahrhundert des Baus, Zustand):
Details Anzeigen
Abschwangen, | 14. Jh., Ruine; |
Albrechtsdorf, | 17./18. Jh., erhalten; |
Almenhausen, | 14. Jh., Ruine; |
Borken, | 15. Jh., im Krieg zerstört; |
Buchholz, | 16. Jh., erhalten ohne den hölzernen Turm; |
Canditten, | 16. Jh., im Krieg zerstört, 1980 wieder aufgebaut; |
Dollstädt, | 15. Jh., verschwunden; |
Eichhorn, | 15. Jh., im Krieg zerstört; |
Gr. Peisten, | 17. Jh., abgetragen; |
Guttenfeld, | 19. Jh., im Krieg zerstört; |
Hanshagen, | 15. Jh., erhalten; |
Jesau, | 18. Jh., im Krieg beschädigt, abgebaut; |
Klein Dexen, | 14. Jh., in den 80er Jahren zerstört, verschwunden; |
Kreuzburg, | 14. Jh., im Krieg beschädigt, Turmruine steht noch; |
Landsberg, ev. Kirche, | 14. Jh., erhalten, genutzt von der griechisch-katholischen Gemeinde; |
Landsberg, kath. Kirche, | 19.Jh., erhalten; |
Mühlhausen, | 14. Jh., war Sowchos-Speicher, ab 1994 im wesentlichen instandgesetzt, genutzt durch ev.-luth. Gemeinde von Rußlanddeutschen, einziges Kirchengebäude im nördlichen Teil, das heute seinem ursprünglichen Zweck dient; |
Petershagen, | 16. Jh., erhalten; |
Preußisch Eylau, | 14. Jh., als Fabrikhalle genutzt, die Dächer von Schiff und Turm sind entfernt; |
Reddenau, | 14. Jh., erhalten; |
Schmoditten, | 14. Jh., durch Vernachlässigung verfallen, Reste gesprengt, heute verschwunden; |
Stablack, | 1935-1937, erhalten, Nutzung als Pferdestall, Kinosaal, Club, seit 1990 als Kulturhaus; |
Tharau, | 14. Jh., Ruine, kann noch instandgesetzt werden; |
Uderwangen, | 14. Jh., Schiff und Chor durch Vernachlässigung und Ziegelabbau verfallen, Turmruine vorerst gesichert. |
Kirchengeschichte von Canditten
Kirchengeschichte von Canditten nach 1945 von Andrzej Kinal, einem in Canditten (jetzt Kandyty) aufgewachsenen polnischen Autor.
Gutshäuser bzw. Schlösser:
Von den zahlreichen Gutshäusern/Schlössern, die hier nicht alle aufgezählt werden, sind nur wenige erhalten geblieben: Nerfken und Tolks im südlichen Teil und Romitten im nördlichen Kreisgebiet. Die meisten sind völlig verschwunden, andere kaum noch zu rettende Ruinen, wie z. B. Auklappen. Von einem der schönsten Herrensitze, Schloss; Wildenhoff im Stablack, sind kaum noch Spuren zu finden, desgleichen von Tharau. In Klein-Steegen stehen noch die Mauern des Guts-Verwaltungsgebäudes aus der Gründerzeit, das erst nach Aufgabe des Staatsguts 1990 zu verfallen begann.
Sonstige Baudenkmäler:
Das Speichergebäude der Vorburg in Pr. Eylau, bei Kriegsende erhalten, dann durch einen Brand geschädigt, wurde ab Mitte der 90er Jahre ausgebaut, um darin u. a. ein Hotel unterzubringen. Der Bau wurde nicht zuende geführt, eingebaute Teile wieder ausgeschlachtet, so daß eine Bauruine entstanden ist. Auf dem angrenzenden Hügel, am Ende der Oberen Schloßstraße, wurde eine orthodoxe Kirche errichtet, die erste in der „Kaliningradskaja Oblast“. Das L’Estocq-Denkmal in Pr. Eylau, 1856 zur Erinnerung an die Schlacht von 1807 errichtet, ist gut erhalten.
Das Stadtbild von Landsberg, das den Krieg fast unversehrt überstanden hat, ist von der polnischen Denkmalbehörde als Baudenkmal eingestuft; seine Erhaltung wird gefördert.
Pr. Eylau, das L Estocq-Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht von 1807